Yoga Sutra von Patanjali


Im Westen wird das sog Yogasutra des indischen Weisen Patanjali als eines der zentralen Werke im Yoga angesehen. Über den Weisen Patanjali sind exakte Daten oder Details nicht bekannt. Man schätzt, dass die ihm zugeschriebene Yogasutra so um 200 n. Chr. erschienen ist.

Es handelt sich dabei um einen recht kurzen, aus 195 Versen bestehenden Text, der in 4 Abschnitte eingeteilt wird. Die einzelnen Abschnitte beschäftigen sich mit folgenden Themen:

  • Abschnitt 1 beschäftigt sich mit ‚Samadhi-Pada‘, der Konzentration
  • Abschnitt 2 ist dem ‚Sadhana-Pada‘ = der Übung gewidmet,
  • Abschnitt 3 beschreibt ‚Vibhuti-Pada‘, die Psychischen Kräfte und
  • Abschnitt 4 erläutert ‚Kaivalya-Pada‘, die Freiheit.

Der Text an sich ist sehr kurz und knapp gehalten und – durch die Mehrdeutigkeit des Sanskrit bei der Übersetzung – ergeben sich bei der Interpretation und Auslegung des Yogasutra-Textes große Spielräume.

Zu beachten ist das Grundverständnis des Yoga, daß „Denken“ gleichbedeutend mit „Leiden“ ist. In der yogischen Weltanschauung quält sich der Mensch durch permanentes Denken, Grübeln und Hinterfragen und macht sich dadurch zu einem Sklaven seines Geistes. Durch Ausschalten des Denkens kommt der Mensch in den Zustand der Glückseligkeit.

Der immer wieder zitierte Kernsatz des Yogasutra lautet: ‚yogas citta-vrtti-nirodhah‚ (I,2). Übersetzt „Yoga (ist) die Stilllegung der Bewegungen des Geistes„.

Über die 4 Abschnitte des Yogasutra hinweg wird ein acht-gliedriger (ash-tanga) Weg beschrieben, den ein Yoga Schüler zu absolvieren hat um zur Erleuchtung bzw. zur Glückseligkeit oder anders ausgedrückt „zur Stilllegung des Geistes“ zu gelangen.

Diese acht Glieder oder Stufen sind

  1. Yamas(*) = Tugenden die durch den Schüler zu beachten sind (oft auch als ‚Don’ts‚ bezeichnet). Es sind Vorschläge zum Umgang mit der Umwelt und den Mitmenschen, quasi die ‚Grundregeln‘ einer Gesellschaft.
  2. Niyamas(*) = ethische Richtlinien (Do’s) die den Umgang mit sich selbst regeln sollen.
  3. Asanas = Körperübungen, die sich darin begründen, dass ein unruhiger und kranker Körper die Konzentration des Geistes zunichte macht. Daher wird der Körper trainiert und gesundet, quasi vorbereitet für eine Selbstrealisierung des Geistes.
  4. Pranayama = Atemkontrolle, welche einen harmonischen Fluß der Energien im Körper bewirkt. Als Resultat wird der Atem mit zunehmender Konzentration immer ruhiger.
  5. Pratyahara = Zurückziehen des Geistes von den Sinnesorganen/der Außenwelt.
  6. Dharana = willentliche Anstrengung, wobei der Übende seinen Geist auf einen Gegenstand konzentriert (z.B. im Rahmen der Meditation). Das Objekt der Meditation kann sein: ein Punkt im Körper, ein Mantra, die Atmung, oder etwas anderes z.B. Transzendentales.
  7. Dyhana = Bewusstseinszustand der Meditation/Versenkung wobei das menschliche Ego und seine Gedanken keine Rolle mehr spielen. In dieser Stufe wird der Zustand der Zeitlosigkeit erreicht und die kosmische Verbundenheit wird erfahrbar.
  8. Samadhi = Zustand der vollständigen Versenkung jenseits allen Denkens.

Diese acht Stufen oder Glieder sind die klassischen Schritte des ‚Raja-Yoga‘ die auch im Hatha-Yoga als Weg zur Erleuchtung anerkannt sind.

Neben der Beschreibung des achtstufigen Weges zur Erlangung der Glückseligkeit gibt Pantanjali eine Reihe von sehr hilfreichen Hinweisen für die tägliche Yogapraxis:

  • Die Stilllegung des Geistes erfolgt durch Übung und Leidenschaftslosigkeit (I,12).
  • Die Übung zeigt nur dann Erfolg wenn sie lange Zeit ununterbrochen und in richtiger Weise betrieben wird (I,14).
  • Die Übungshaltung sei fest und angenehm (sthira-sukham-asanam), (II,46).

Diese Hinweise beschreiben eine beharrliche und mit Gelassenheit durchgeführte Yogapraxis in der man die Haltungen/Übungen als angenehm und hilfreich empfindet. Schmerz und Leid haben im Yoga nichts zu suchen.

(*) Bei den Yamas und Niyamas handelt es sich nicht um Ge- und Verbote, sondern um täglich zu befolgende Richtlinien die (nicht nur) das yogische Zusammenleben gestalten sollen. Gegen die Yamas und Niyamas kann man daher nicht verstoßen wie gegen Gesetze und man kann im Yoga auch nicht sündigen (wie im Sinne einer Religion) und irgendeine Schuld auf sich laden. Werden die Yamas und Niyamas nicht befolgt, so ist die einzige Konsequenz, dass man sich und anderen das Leben unnötig schwer macht.